Es gab einen bewegungsübergreifenden Prozess, um folgende Frage zu beantworten: Wie gehen wir intern und öffentlich mit Roger Hallam um? Im speziellen: Distanzieren wir uns von der Person?
Teilnehmende: 2 Personen pro Region (gemeldet von den Regio Teams), 4 Personen aus der Kerngruppe, 2 aus der Awareness AG, 1 aus der Antirassismus AG, 2 aus der übrigen Orga-Struktur (benannt von Orga operativ) + Moderation, Protokoll und Faktencheck.
Der Prozess hat nach 3 Meetings in einem vierten Entscheidungsmeeting zwischen den Vertreter:innen aus Awareness und Kerngruppe eine Entscheidung hervorgebracht (s.u.).
Protokoll des Prozesses (alle 4 Meetings): https://docs.google.com/document/d/1Qdg11fnLzKo50T_Y8tZMAvEiFIPFrMZotFklDfz5WAI/edit
Hinweis: Dies sind nur unvollständige Stichpunkte, die nicht die ganze Realität widerspiegeln, sondern der Übersicht dienen. Für präsise Information, lies bitte die Nachricht weiter unten und das Protokoll (s.o.)
Update 12.12.2023:
–> Original-Nachricht im Infokanal
Nachricht zur Distanzierung von Roger Hallam
Liebe Menschen der Letzten Generation,
in den letzten Monaten hat uns als Bewegung immer wieder sehr beschäftigt, wie wir mit Roger Hallam umgehen. Die Kerngruppe hatte sich bereits ab dem 11. August mehrfach von den Aussagen Hallams distanziert, Verweise auf ihn oder seine Inhalte aus allen Dokumenten entfernt und einen weiteren Prozess für eine langfristige Entscheidung zum Umgang angekündigt.
Während unserer 100-für-Bayern-Kampagne und des Starts des Wendepunkts sind die Dinge dann langsamer vorangegangen. Vor allem in den letzten 4-6 Wochen fanden endlich mehrere Prozesse zu den offenen Fragen statt. Vom 20. bis zum 25. Oktober gab es mehrere Treffen mit Vertreter:innen aus allen Bereichen der Bewegung – AGs (inkl. Awareness und Antirassismus AG), Regionen, Kerngruppe. Diese hatte das Ziel, den Umgang mit Roger Hallam abschließend zu klären und die konkrete Frage zu beantworten, ob wir uns als Bewegung von ihm als Person distanzieren.
Das Protokoll dieses Prozesses und alles Weitere findet ihr hier: /de/oeffentlich/AGs/Sozialer-Support/AwarenessAG/AwarenessAGInfo/Roger-Hallam-Thematik
Es war hierbei wichtig, die ganze Bewegung mit einzubeziehen, um eine gemeinsame Entscheidung herbeizuführen, die möglichst alle mittragen können. Am Ende des Prozesses in der großen Runde stand dann eine Entscheidung der Vertreter:innen der Awareness AG (Lene, Jana) und der Kerngruppe (Melli, Lea, Henning, Kim), die im Konsent (Konsens = Entscheidung ohne Einwände; Konsent = Entscheidung ohne schwerwiegende Einwände/Vetos) getroffen wurde.
Aber zunächst zum Hintergrund:
Roger Hallam ist über unsere englische Schwester-Bewegung Just Stop Oil im gemeinsamen A22 Network aktiv, derzeit als Berater.
Immer wieder fällt er durch Aussagen auf, die gegen die Werte der LG verstoßen.
Es gab Kontroversen darüber in der Kampagne, ob diese als antisemitische und andere menschenfeindliche Narrative zu werten sind, da z.B. regelmäßig der Holocaust mit der Klimakrise verglichen und teils in weiten Teilen gleichgesetzt wird. Nicht alle Menschen bei der Letzten Generation lesen seine Aussagen so und auch diese Stimmen wurden in dem Prozess gehört und in die Entscheidung mit einbezogen.
Ein Ergebnis des Prozesses war, dass wir uns alle sehr unwohl damit fühlen, die Intentionen eines Menschen zu beurteilen, und dass wir diese Aussagen durchaus als eine Strategie erkennen, um die Klimakrise zu dramatisieren. Rational können wir nachvollziehen, warum diese Strategie gewählt wird.
Wir schätzen Roger Hallams unermüdlichen Einsatz gegen die Klimakrise durchaus wert und es entspricht unseren Werten, davon auszugehen, dass er im Grunde gute Intentionen hat (Warnung vor der Dramatik der Klimakrise). Nichtsdestotrotz ist die Wirkung seiner Worte aus unserer Sicht schädlich, genauer gesagt verletzend und diskriminierend für Betroffene. Dies wurde in den letzten Jahren vielfach an ihn herangetragen, auch zweimal deutlich von unserer Kerngruppe. Das hat bisher nichts an den wiederkehrenden Äußerungen ähnlichen Charakters geändert.
Wir wollen nicht den Eindruck erwecken, dass wir die Äußerungen und ihre Wirkung in Ordnung finden, indem wir uns nicht von der Person Roger Hallam distanzieren. Wir halten es für einen ineffektiven Einsatz unserer Ressourcen, wenn wir zu allen zukünftigen Äußerungen jeweils separat Stellung beziehen müssten. Denn wir haben eine klare Haltung gegen Antisemitismus und jede andere Art der Diskriminierung (siehe unsere Werte), nutzen diese Art der Sprache deshalb nicht und wollen auch verhindern, dass sie sich ausbreitet.
Aus diesen Gründen distanzieren wir uns von Roger Hallam.
Im Kontext der wiederholten und auch in Zukunft zu erwartenden antisemitischen und diskriminierenden Äußerungen schließt dies auch eine Distanzierung von dieser insgesamt problematischen Rhetorik und Strategie Roger Hallams ein.
Dies bedeutet konkret, dass wir uns seiner problematischen Aussagen und Rhetorik bewusst sind und deshalb den Abstand wahren.
Wir werden weiterhin im A22 Netzwerk aktiv bleiben, von dem auch er Teil ist. Wir werden weiterhin an dem Austausch mit den anderen Ländern teilnehmen und auch Teil des CLT (Central Legislative Team) bleiben, in dem Roger Hallam nicht vertreten ist. Wir werden keine Treffen zwischen ihm und Vertreter:innen der Letzten Generation führen. Zwangsläufig wird es aber größere Treffen geben, in denen auch er anwesend ist, aus denen wir uns nicht deshalb rausziehen, da wir weiter effektiv im A22 Network arbeiten wollen und müssen, um die Klimakrise international zu bekämpfen. Zu diesen Situationen werden die betreffenden Arbeitsgruppen/Kerngruppe dann mit der Awareness AG im Austausch sein. Wie wir das alles konkret organisieren, wird die Kerngruppe zusammen mit dem A22 Netzwerk und der Awareness AG klären und im Wiki aktualisieren.
Wir werden weiterhin keine Quellen von ihm verbreiten oder zitieren.
Wir distanzieren uns nicht leichtfertig von einzelnen Menschen. Wir hatten hierzu einen ausführlichen Prozess, um dies genau abzuwägen. Roger Hallam ist an dieser Stelle einen besondere Person, da er als sehr stark mit uns verbunden wahrgenommen wird, auch wenn er nicht direkt Teil der Letzten Generation ist.
Wir werden zu der Distanzierung ein Gespräch mit ihm suchen, um ihm die Entscheidung zu erklären. Außerdem finden wir es wichtig, dass Menschen grundsätzlich eine Chance bekommen , ihr Verhalten und ihre Aussagen zu ändern, sodass eine Annäherung wieder möglich werden kann.
(Sobald so ein solches Gespräch stattfindet, wird auch dieses protokolliert und im Wiki transparent gemacht.)
Abschließend ist uns wichtig zu sagen, dass wir eine Kultur des Vertrauens und des Zusammenhaltes schaffen und gemeinsam leben wollen. Wir wollen Konflikte nicht eskalieren, sondern konstruktiv lösen. Wir wollen keine einzelnen Menschen als Feindbilder aufbauen. Wir sind eine vielfältige Bewegung und auch zu der Frage, ob wir uns von Roger Hallam distanzieren sollten oder nicht, gibt es verschiedene Einstellungen. Wir wollen dazu kein Cancelling oder eine feindselige oder anprangernde Stimmung haben, sondern einen konstruktiven und menschlichen Umgang miteinander.
Wir haben vermutlich alle während des Prozesses gemerkt, dass wir an vielen Stellen sehr viel besser zu einer Einigung hätten kommen können, wenn wir mit mehr Vertrauen aufeinander zugegangen wären und miteinander gesprochen hätten. (Das gilt für alle Seiten.)
Wir denken nicht, dass dies bei dem Konflikt um Roger Hallam ausschlaggebend war, wollen aber trotzdem an dieser Stelle für die Zukunft darauf hinweisen: Je größer Bewegungen werden, desto wahrscheinlicher ist es, dass interne Provokateure existieren. Diese haben keine Chance, wenn wir uns gegenseitig vertrauen und bei Misstrauen oder Gerüchten aufeinander zugehen und konstruktiv miteinander sprechen.
Somit ist uns sehr wichtig klarzustellen, dass die Gespräche und der Prozess um Roger Hallam schon etwa drei Monate vor den Artikeln in der rechten Presse begonnen haben.
Es waren Menschen aus der Bewegung, die dieses Thema angesprochen haben und es zum Teil bis zum letzten Prozess begleitet haben.
Uns ist bewusst, dass unsere vorherigen Statements so gelesen werden können, als seien wir der Meinung gewesen, dass rechte Akteure am Werk waren. Als ob wir geglaubt hätten, dass unsere Awareness- und unsere Anti-Rassismus-AG von rechts unterwandert gewesen wären. In aller Deutlichkeit: Das haben wir nie geglaubt. Das ist nur eines der vielen schlimmen Gerüchte.
Wir wissen, dass diese Lesart unserer Statements zu vielen Spannungen zwischen Menschen der Bewegung geführt hat. Wir haben wahrgenommen, dass teilweise Menschen nicht ernst in ihren Sorgen genommen wurden und Menschen unterstellt wurde, nicht Teil der Bewegung zu sein. Das alles tut uns aufrichtig leid und wir hoffen, dass sich diese Wogen nach unserer Richtigstellung dazu wieder glätten werden.
Wir gestehen ein, dass um diesen Prozess und dem daraus entstehenden Streik herum auch menschlich und emotional viel falsch gelaufen ist und werden das auch weiterhin aufarbeiten.
Einen Teil dieser Aufarbeitung konnten wir schon sehr erfolgreich abschließen. Es wurden explizit auch Menschen an diesem Prozess beteiligt, die an dem Streik beteiligt waren und die überwältigende Mehrheit aller Beteiligten hat erlebt, dass wir alle auch wieder zusammenwachsen können.
Es ist ja bekannt, dass mehrere unserer internen Chats und Telko-Aufzeichnungen an die Presse gegeben wurden. Wir wissen inzwischen auch, welche Menschen dafür verantwortlich waren und als Konsequenz haben wir diese aus der Letzten Generation und all unseren Gruppen ausgeschlossen. So etwas kann leider passieren. Das darf aber nicht dazu führen, dass wir uns gegenseitig misstrauen und keine Infos mehr transparent teilen. Wenn wir mit möglichst viel Vertrauen aufeinander zugehen und lösungsorientiert Konflikte und Gerüchte ansprechen, dann können uns auch Provokateure nichts anhaben.
Zu unseren Werten zählen unter anderem die klare Haltung gegen jegliche Form von Diskriminierung und ein menschlicher Umgang miteinander, bei dem wir uns Vertrauen und Verständnis gegenüberbringen und Konflikte offen ansprechen, sobald wir sie bemerken. Lasst uns diese Werte nicht aus den Augen verlieren und fokussiert und friedlich Widerstand gegen das politische Versagen in der Klimakrise leisten.
Mit Liebe und Mut
Im Namen der Kerngruppe & der Awareness AG
16.08. gegen 17 Uhr
Hallo zusammen,
wir nehmen sehr deutlich wahr, dass es gerade bei einigen von euch starke negative Gefühle zur Situation rund um Roger Hallam gibt. Wir hören deutliche Wünsche an uns, uns noch weiter zu der Thematik zu verhalten. Es gibt große Ängste, dass die aktuelle Situation der Letzten Generation schadet.
Zunächst möchten wir euch mitteilen, dass wir auch sehr besorgt sind und alle Gedanken ernst nehmen. Es bewegt uns auf einer persönlichen Ebene und gleichzeitig ist uns bewusst, dass wir die große Aufgabe, der wir uns alle hier angenommen haben, nur schaffen können, wenn wir vereint an einem Strang ziehen. Deswegen sind wir so unglaublich demütig und dankbar dafür, dass ihr uns bis jetzt das Vertrauen geschenkt habt, diesen doch in einigen Bereichen sehr unkonventionellen, konfrontativen und steinigen Weg der LG zu beschreiten. Wir möchten daher alles uns möglich tun, um euch weiterhin die Möglichkeit zu geben, Vertrauen zu uns fassen zu können.
Wir distanzieren uns in aller Deutlichkeit von Roger Hallams Aussagen bezüglich Herunterspielens des industriellen Massenmords im Holocaust. Der Holocaust ist in seiner Art der Durchführung ein einzigartiges Ereignis in der Geschichte. Wir setzen Menschenleben nicht in Relation zueinander.
Deshalb ist ein genaues Gleichsetzen von Holocaust und fossilem Massenmord nicht nur falsch, sondern gefährlich. Nochmal: Der grausame, industrielle Massenmord an Millionen Jüd:innen und anderen diskriminierten Gruppen ist in seiner Art der Durchführung ein einzigartiges Ereignis in der Geschichte. Kommentare wie "another fuckery" sind nicht mit unseren Werten im Einklang. Dafür hat sich Roger Hallam absolut zurecht entschuldigt.
Vor diesem Hintergrund werden wir den Verweis im Wiki und in offiziellen Dokumenten auf Roger Hallam entfernen und dann gemeinsam mit einer Person der Awareness AG in ein klärendes Gespräch gehen, um anschließend eine Haltung zu finden, wie wir zukünftig damit umgehen.
Unabhängig davon: Es ist wichtig, dass wir uns damit beschäftigen, wie wir durch die Vergangenheit aus unvorstellbar schrecklichen Verbrechen lernen und dadurch nie, nie, nie wieder die Vorboten des Faschismus ignorieren dürfen.
Wir möchten zudem nochmal auf unsere Nachricht aus dem Infokanal zu diesem Thema verweisen und die weiteren Aussagen dort unterstreichen: Antisemitismus und jegliches rechtes Gedankengut hat bei uns keinen Platz. Wir haben große Angst vor einer fortschreitenden gesellschaftlichen Entwicklung hin zu einer menschenfeindlichen Gesellschaft. Das zu verhindern, treibt uns an.
Wir wollen jetzt dringend mit allen, die dazu bereit sind, die Proteste in Bayern maximal unterstützen den Wendepunkt in Berlin vorbereiten, denn es sind nur noch Wochen! Deshalb lasst uns die Diskussionen in konstruktive Bahnen lenken und dafür sorgen, dass sie nur dort Raum einnehmen, wo sie das auch sollten. Allen, die unter den gegebenen Umständen und auch nach dieser Nachricht nicht dazu bereit sind, wünschen wir alles erdenklich Gute. Es tut uns leid, dass wir es nicht allen Recht machen konnten und hoffen aber, dass wir hier nach vielen Überlegungen den bestmöglichen Weg für die Letzte Generation gefunden haben.
Das Gründungsteam