Stimmen aus dem Globalen Süden:
Ausschnitte aus der Rede von Adenike Oladosu aus Nigeria (2021):
Ich frage mich, ob der Klimawandel nicht schon präsent genug ist. Haben Sie sich schon mal eine Welt vorgestellt, in der Sie Ihren Wasserhahn aufdrehen, aber kein Wasser herauskommt? Eine Welt, in der Ihr Haus kein sicherer Ort mehr ist, weil es von einer Überschwemmung oder einer Hitzewelle weggefegt werden kann? Eine Welt, in der Geld keinen Wert mehr besitzt? Eine Welt, in der es für uns fast unmöglich wird, Pflanzen anzubauen? Das sind unsere Realitäten heute.
Ich setze mich für die Wiederherstellung des Tschadsees ein, der seit 1960 um 90% zurückgegangen ist. In dieser Region führt die Klimakrise zu bewaffneten Konflikten. Dort, wo ich in Nigeria aufgewachsen und zur Schule gegangen bin, sind die Zusammenstöße zwischen Bauern und Hirten im Kampf um die Kontrolle der Ressourcen schon jetzt zu einem Alptraum geworden.
Die Welt erlebt die Klimakrise auf unterschiedliche Weise, aber alle werden mit den Auswirkungen konfrontiert sein: Vertreibung und Migration, die unsere Demokratie und Kultur gefährden. Für uns in Nigeria ist der Klimawandel eine Frage von Leben und Tod, wenn die Temperaturen um mehr als 1,5 Grad steigen.
2022 stand ein Drittel von Pakistan unter Wasser, mindestens 1.700 Menschen sind in den Fluten gestorben, 33 Millionen Menschen waren – und sind – von den Fluten betroffen. Ayisha Siddiqa, eine Klimaaktivistin aus Pakistan hat auf dem Weltwirtschaftsforum im Januar 2023 davon erzählt:
Häuser wurden überflutet, Menschen vertrieben. Bauern begehen Selbstmord, weil sie keine Hoffnung auf Zukunft mehr haben. In 60 Jahren haben wir kein derartiges Hochwasser erlebt. Um dieses Hochwasser zu verstehen, muss man ein wenig zurückgehen. Im vergangenen Jahr erlebte Pakistan einige der höchsten Temperaturen des vergangenen Jahrhunderts. In Teilen des Landes war es 52° C heiß. Das ist eine Außentemperatur, die so hoch ist, dass Ihre inneren Organe versagen. Staaten haben den Notstand ausgerufen, weil Schüler*innen nicht mehr zur Schule gehen konnten. Die Überschwemmung begann mit der Intensität der Hitzewellen, die dann dazu führten, dass sich in der Atmosphäre viel Niederschlag ansammelte.
Was ursprünglich eine Umweltkrise war, hat sich zu einer Finanzkrise entwickelt, einer Menschenrechtskrise, einer Krise der Rechte der Frauen.
Viele der Vertriebenen mussten in Zelten in Elendsvierteln unterkommen. Sie haben ihren gesamten Besitz verloren. Frauen müssen weit gehen, um frisches Wasser zu holen, Essen zu bekommen.
Auch jetzt sind immer noch so viele Menschen vertrieben. Unser Gesundheitssystem liegt in Trümmern, denn stehendes Wasser bedeutet, dass Mücken kommen, das bedeutet, dass Krankheiten kommen und dass sich Cholera ausbreitet.
Im Moment haben wir eine massive Getreideknappheit. Die Menschen haben kein Brot, keinen Reis. Es gibt Kämpfe in Lebensmittelgeschäften um das Essen.
Am Horn von Afrika herrscht seit Oktober 2020 eine anhaltende Dürre. Mittlerweile sind über 36 Millionen Menschen davon betroffen, darunter über 13 Millionen Kinder. Eine Dürre, wie sie jetzt gerade dort herrscht, hat es seit Beginn der Wetteraufzeichnungen noch nie gegeben. Die letzten 4 Regenzeiten fielen schwach oder vollständig aus. Alle 36 Sekunden stirbt dort jemand an Hunger.
Die kenianische Klimaaktivistin Elizabeth Wathuti beschreibt die Situation und appelliert in ihrer Rede vor der Weltklimakonferenz 2021 – also schon vor fast zwei Jahren! – an die Regierenden, ihre Klimapolitik zu ändern:
Im Moment sind über zwei Millionen meiner kenianischen Landsleute von einer klimabedingten Hungersnot betroffen. In den vergangenen Jahren sind unsere Regenzeiten ausgefallen. Unsere Flüsse versiegen, unsere Ernten fallen aus, Lagerhäuser stehen leer, unsere Tiere und Menschen sterben. Ich habe mit eigenen Augen drei kleine Kinder gesehen, die am Ufer eines ausgetrockneten Flusses weinten, nachdem sie mit ihrer Mutter 12 Meilen weit gelaufen waren, um Wasser zu finden.
Bitte öffnet eure Herzen. Dies geschieht nicht nur in Kenia. In den letzten Monaten gab es in Algerien tödliche Hitzewellen und Waldbrände, in Uganda und Nigeria gab es verheerende Überschwemmungen und weitere Katastrophen werden folgen. Bis 2025, in nur vier Jahren, wird die Hälfte der Weltbevölkerung von Wasserknappheit betroffen sein.
Bitte öffnet eure Herzen. Wenn ihr euch Mitgefühl erlaubt, ist das Leid und die Ungerechtigkeit nur schwer zu ertragen. Afrikaner*innen südlich der Sahara sind für nur ein halbes Prozent der historischen Emissionen verantwortlich, die Kinder sind für nichts verantwortlich, aber sie tragen die Folgen.
Ich glaube an unsere menschliche Fähigkeit, mitfühlend zu sein, uns umeinander zu sorgen und gemeinsam zu handeln. Ich glaube an unsere Fähigkeit, das Richtige zu tun, wenn wir unsere Herzen öffnen.
Die Klimaschutzaktivistin und UNICEF-Sonderbotschafterin Vanessa Nakate erzählt im Interview von Menschen in Uganda und Kenia, die durch die Auswirkungen der Klimakrise besonders hart getroffen werden (Mai 2023):
Der Einsatz für mehr Klimagerechtigkeit ist mir sehr wichtig, weil ich 2018 verstanden habe, wie sich die Klimakrise auf das Leben der Menschen in meinem Land, Uganda, auswirkt. Mir wurde klar, dass die Überschwemmungen und Erdrutsche in Regionen wie Bududa eine Folge des sich verändernden Wettergeschehens sind, das durch die Klimakrise beschleunigt wird. Für mich geht es beim Einsatz für Klimagerechtigkeit also um das Leben, Überleben und die Existenz der am stärksten betroffenen Menschen.
Uganda ist ein Land, das stark von der Landwirtschaft abhängig ist, insbesondere viele Familien. Meine Mutter ist ebenfalls Landwirtin, wir haben einen Bauernhof in einem kleinen Dorf. Sie sprach ständig davon, dass die Ernte wegen der intensiven Trockenzeiten verdorrt.
Unser Nachbarland Kenia ist eine Region, die durch die Dürre am Horn von Afrika betroffen ist. Millionen Menschen haben große Schwierigkeiten, Nahrung und Wasser zu finden. Als ich Kenia besucht habe, war es schlimm für mich zu sehen, wie viele Menschen leiden. Es ist eine Sache zu sagen, der Klimawandel ist mehr als Wetter und Statistik, aber es ist eine andere Sache wirklich mit eigenen Augen zu sehen, dass es hier um Menschen geht, um echte Menschen, um echtes Leben, um Menschen, die ihren Lebensunterhalt bestreiten, um Menschen, die versuchen zu überleben. Es gibt so viele Kinder und Mütter, die darum kämpfen, etwas zu essen und zu trinken zu finden. Ich habe Kinder in den Krankenhäusern besucht, die von UNICEF unterstützt werden, und dabei auch miterlebt wie leider eines der Kinder, die ich sehen durfte, an diesem Abend an schwerer akuter Unterernährung verstorben ist.
UN-Sonderbotschafterin Vanessa Nakate aus Uganda macht auf der UN-Generalversammlung im September 2022 deutlich wie von der Klimakrise Kinderrechte und hier besonders die Rechte von Mädchen beeinträchtigt werden:
Ich kenne ein junges Mädchen. Ihre erste Aufgabe jeden Morgen besteht darin, Wasser zu holen, damit ihre Mutter mit der Zubereitung des Essens für die Familie beginnen kann. Aufgrund des Klimawandels ist dieses Mädchen gezwungen, immer weiter zu laufen, um Wasser zu finden. Bald wird es für sie unmöglich sein, diesen langen Weg zurückzulegen und trotzdem zur Schule zu gehen.
Während sich die Klimakrise verschlimmert, müssen sich junge Mädchen immer mehr um ihre Familien kümmern. Sie sind auch mit zunehmender häuslicher Gewalt und Kinderehen konfrontiert. All dies schränkt die Möglichkeiten von Mädchen, Zugang zu Bildung zu erhalten und diese abzuschließen, erheblich ein.
Und während sich die Klimakrise verschlimmert, verschlimmert sich auch dieser Teufelskreis. Weltweit sind mehr als 240 Millionen Kinder vom Schulbesuch ausgeschlossen. Laut UNICEF leben 400 Millionen Kinder in Gebieten mit hohem Risiko für Wirbelstürme und 820 Millionen Kinder sind Hitzewellen in hohem Maße ausgesetzt. Mehr als 186 Millionen Kinder besuchen Grundschulen ohne Strom. Dadurch haben sie nicht nur keinen Zugang zu grundlegender Beleuchtung und digitalem Lernen, sie sind auch Hitzewellen ausgesetzt und haben gleichzeitig keine Möglichkeit, Klimaanlagen zu verwenden.
Während alle Kinder Unterstützung benötigen, um Zugang zu Bildung zu erhalten, sind Mädchen überproportional von der Klimakrise betroffen. Klimaschutz hilft Mädchen, die Schule zu besuchen, was wiederum den Ländern hilft, die Klimakrise zu bewältigen. Wir müssen allen Kindern den Zugang zu Bildung ermöglichen – und wir müssen ihnen helfen, in der Schule bleiben zu können. Ihre Zukunft hängt davon ab. Und auch andersherum – unser aller Zukunft hängt davon ab.