Als PolKo wird es dir helfen, wenn es dir gelingt, von deiner/m Gesprächspartner:in bei der Polizei auf Augenhöhe wahrgenommen zu werden. Die Grundvoraussetzungen dafür sind eine aufrechte Haltung im Inneren und Authentizität. Darunter versteht mensch eine Überdeckung deiner inneren Überzeugung mit deiner Außenwirkung. Authentische Menschen wirken “echt”, sie tragen keine Maske. Ihre Gesprächspartner:innen wissen, wo sie stehen und dass sie aus ihrer Position fair agieren werden. Das erzeugt ein Gefühl der Sicherheit beim Anderen, selbst wenn die Positionen unterschiedlich sind.
Vor der ersten Kontaktaufnahme und bei Stress nimmst du ein paar ruhige, tiefe Atemzüge in den Bauchraum. Das zentriert und entspannt dich. Du gehst ruhig und aufrecht auf deine:n Gesprächspartner:in zu. Vermeide grundsätzlich jede Hektik. Suche und halte den Augenkontakt, während du der Person die Hand gibst. Sollte dein Gegenüber ein “Wer schaut als erstes weg?”-Spiel starten, so lass dich nicht darauf ein. Wende deinen Blick ruhig und gelassen zur nächsten Person in der Runde.
Meist wirst du Polizist:innen in voller Einsatz-Montur und Ausrüstung gegenüberstehen. Lass dich davon nicht einschüchtern. Darunter steckt ein Mensch wie du und ich. Stell dir dein Gegenüber in einer entspannten Situation, z. B. in ihrem/seinem Garten sitzend vor. Das beseitigt zuverlässig eventuelle Hierarchien.
Die klassische Frontenbildung im Gespräch kannst du auflösen, indem du nicht direkt der Polizist:in gegenüberstehst, sondern leicht versetzt oder im rechten Winkel zu ihr. Damit lässt du die körperliche Konfrontation ins Leere laufen und hast im Augenwinkel vielleicht auch noch die Teilnehmenden des Protestmarsches im Blickfeld.
Körper- und Sprachübungen können sehr hilfreich sein, um deine Präsenz, deine Wirkung im Gespräch und deine Selbstsicherheit zu fördern. Dazu gibt es viele Seminare, z. B. an der Volkshochschule!
Ganz wichtig: Bleib in jeder Situation authentisch, bleib du selbst. Wenn du z.B. aufgeregt bist, sag das ruhig. Tu nichts, das sich für dich nicht stimmig anfühlt. Dein:e Gesprächspartner:in bei der Polizei, meist ein:e erfahrene Beamt:in, wird spüren, ob du eine Rolle spielst und ob du "echt" bist. Sei dir bewusst, dass du die am meisten gestresste Person des Protestmarsches bist. Die Polizist:innen sind professionell geschult und handeln nach Anweisungen. Für sie sind Protestmärsche von der LG vergleichsweise angenehmer Arbeitsalltag, da sie wissen, dass wir friedlich und gewaltfrei agieren.
Sofern es nicht darum geht, ein Exempel zu statuieren, wird die Polizei aufgrund ihrer knappen Ressourcen versuchen, eine Situation mit möglichst geringen Mitteln zu handhaben. Das ist auch in unserem Sinne. Dazu benötigt sie verlässliche Informationskanäle. Die Polizei wird daher dein Angebot in der Regel gerne annehmen. Wenn du den Eindruck hast, dass dein:e Gesprächspartner:in mit der Rolle des Polizeikontakts nicht vertraut ist, macht es Sinn, dass du ihr die Vorteile - wie ein stabiler Kommunikationskanal, Deeskalation von Konflikten und ein entspannterer Ablauf - kurz nahebringst.
Wir empfehlen, dass du dich den Polizist:innen möglichst mit Namen (Vornamen / voller Namen) vorstellst, um einen besseren Kontakt zu etablieren. Um eine professionelle Distanz zu wahren, raten wir dazu, mit Angehörigen der Polizei auf Ebene des Sie zu bleiben und Versuche des Duzens höflich zurückzuweisen. Wenn die Polizei dich nach deinem Ausweis fragt, zeig ihn vor.
Es ist von Vorteil, wenn du die Position deiner Gesprächspartner:innen in der Hierarchie der Polizei einschätzen kannst. Dafür gibt es mehrere Indizien: Polizist:innen in Einsatzkleidung (Overall) sind in der Regel durch taktische Zeichen (weiße Punkte oder Striche auf dem Rücken) gekennzeichnet: 1 Punkt: Truppführer:in, 2 Punkte: Gruppenführer:in, 3 Punkte: Zugführer:in. Je mehr Punkte, desto höher die Entscheidungskompetenz. Striche sind höher in der Hierarchie als Punkte. Bei Polizist:innen in Streifenpolizist:innenkleidung ist der Dienstrang in der Regel an Farbe und Anzahl der Symbole auf den Schulterklappen erkennbar (bronze/blau, silber, gold). Notiere die Namen, Dienstnummern und das Polizeikommissariat der Personen, mit denen du direkt zu tun hast und informiere später die weiteren Polizeikontakte deiner Widerstandsgruppe/die Protestplanung/die Legal-Ansprechperson, darüber, mit wem du in Kontakt warst und wie sie sich verhalten haben.
Eine Kontaktaufnahme mit der Polizei könnte z.B. so laufen:
Zu der ersten Polizist:in, die du antriffst:
“Hallo, ich möchte Sie wissen lassen, dass hier ein komplett gewaltfreier und friedlicher Protestmarsch von der Letzten Generation stattfindet. Meine Rolle ist, mit der Polizei zu sprechen. Ich bin nicht die Leiterin der Versammlung. Können Sie mich bitte mit der Einsatzleitung vor Ort oder der Kommunikationsbeamtin (bei kleineren Protesten der zuständigen Polizist:in vor Ort) bekannt machen?"
Im Gespräch mit der Einsatzleitung:
"Hallo, mein Vorname ist … . Hier findet gerade ein komplett gewaltfreier und friedlicher Protestmarsch von der Letzten Generation statt. Ich biete Ihnen an, als Kontaktperson zwischen Ihnen und den Teilnehmenden aufzutreten. Es ist mir wichtig, dass Sie zur Kenntnis nehmen, dass ich nicht für die Gruppe entscheiden darf und weder die Versammlungsleiterin noch die Veranstalterin der Versammlung bin. Möchten Sie das Angebot annehmen?".
Falls die Polizei den Vorwurf der Versammlungsleitung anbringt:
“Falls Sie auf dem Vorwurf der Versammlungsleitung beharren, stehe ich Ihnen als Ansprechpartnerin nicht mehr zur Verfügung. Damit gäbe es hier keine Personen mehr, die das Mandat der Gruppe besitzt, mit Ihnen zu sprechen.”
Mach der Polizei klar, was das Setting ist, ohne in eine Anführer:in- Rolle zu rutschen. Dazu ist es hilfreich, eine sprachliche Distanz aufzubauen und nie von “wir”, sondern immer von “der Gruppe” oder “den Protestierenden” zu sprechen.
Am erfolgversprechendsten ist es, wenn ihr schon im Erstkontakt erklärt, warum es gerade dieser bestimmte Ort und diese bestimmte Protestform sein müssen.
Wichtig dabei ist, immer klarzustellen, dass es euch vor allem um Kommunikation und sichtbare Meinungsäußerung geht, und nicht einzig um Verhindern und Blockieren.
Außerdem ist es wichtig, möglichst früh zu klären, ob PolKos und Deeskalationskräften auch im Ernstfall Bewegungsfreiheit (d.h. werden sie durch Sperren und Polizeiketten gelassen) garantiert wird, da dies eine Voraussetzung darstellt, die Rolle des Polizeikontakts effektiv ausfüllen zu können.
Bedanke dich für das Gespräch und beende es mit dem Hinweis, dass dich die Polizei gerne ansprechen kann, wenn sie weitere Fragen haben.
Es wird dir beim weiteren Kontakt helfen, wenn du im Erstkontakt professionell, verbindlich und mit einem gesunden Abstand agierst. Du musst den Protest oder deine Rolle darin nicht rechtfertigen. Du bist Kontaktpunkt, nicht Verhandlungsführer:in.
Zu Beginn des Kontakts verhältst du dich eher reaktiv, lässt die Polizei reden, sammelst Informationen, ohne im Gegenzug viel preiszugeben. Es geht darum, deine Gesprächspartner:innen kennenzulernen und eine funktionierende Arbeitsbeziehung aufzubauen. Kontakt halten und aktives Zuhören ist die Devise. Bleib in der Nähe deiner Gesprächspartner:in bei der Polizei, so dass du erreichbar bist.
Wenn dir das liegt, kannst du in entspannten Momenten das Gespräch mit den Polizist:innen suchen, ohne aufdringlich zu wirken. Smalltalk und hier und da eine witzige Bemerkung können helfen, die Situation zu entspannen und ein persönliches Verhältnis zu schaffen, ohne in eine Verbrüderung abzurutschen. Dies kann deinen Handlungsspielraum erhöhen. Sei dir aber immer bewusst, dass du mit Profis sprichst, die geschult darin sind, dir Informationen zu entlocken. Gerade wenn du müde und angespannt bist, ist Schweigen absolut ok und die sicherste Option.
Es liegt es in deinem Ermessen, ein Gespräch zu suchen, indem du den Beamt:innen darlegst, wofür wir stehen ("Haben Sie auch Kinder? … Ich stehe heute hier, damit meine Kinder in einer lebenswerten Welt zu Hause sein können."). Kleine Gemeinsamkeiten lassen sich mitunter auch durch wuchtige Einsatzmonturen hindurch finden.
Sei dir immer darüber im Klaren, dass alles was du mitteilst, sich in den Akten wiederfinden kann und somit gegen dich und andere verwendet werden kann und wird. Diese Daten und Erkenntnisse werden gespeichert und eventuell an Staatsschutz und Verfassungsschutz weitergegeben. In Deutschland gibt es auch keine Verwertungsverbote für Beweise, die durch falsche Versprechungen, Tricks oder Spähaktionen gewonnen wurden.
Auch unverfängliche Aussagen können negativ gegen dich und die ganze Bewegung ausgelegt werden. So sind bereits Solidaritätserklärungen mit der Klimagerechtigkeitsbewegung als Grundlage für mehrmonatige Betretungsverbote genutzt worden.
Setz dich nicht unter Druck, Polizist:innen im Dienst von unserem Anliegen zu überzeugen.
Wenn die Polizeibeamt:innen gerade telefonieren oder funken, halte Abstand. Achte aber auch darauf, dass die Polizei Abstand hält, wenn du telefonierst. Dies begründest du im Zweifel nicht mit Geheimnissen, sondern mit dem gegenseitigen Respekt: Du respektierst die Vertraulichkeit des Wortes bei der Polizei. Die Polizei muss diese Vertraulichkeit bei dir genauso respektieren.